030 / 397 492 57 kontakt@kanzlei-cziersky.de

Verwaltungsgericht Berlin: Ausländerbehörde Berlin muss Aufenthaltserlaubnis rückwirkend erteilen (1. Urteil)

Entscheidung: Verwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 23. Januar 2013, VG 15 K 188.12

Es ist das erste Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin in einem Grundsatzstreit mit der Ausländerbehörde Berlin. Regelmäßig benötigt die Ausländerbehörde Berlin nach einem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis mehrere Wochen oder Monate bis zur Entscheidung über diesen Antrag. Wenn dann die Aufenthaltserlaubnis schließlich erteilt wird, geschieht dies regelmäßig nur mir Wirkung „ex nunc“, die Aufenthaltserlaubnis ist also erst ab dem Tag der Entscheidung der Ausländerbehörde Berlin gültig.

Welchen Rechtsstatus aber hat ein Ausländer in der Zeit ab der Antragstellung bis zur Entscheidung der Ausländerbehörde Berlin? Die Antwort auf diese Frage kann erhebliche Auswirkungen auf die Zukunft des Ausländers haben. So ist in vielen Fällen erst ab dem Datum des Beginns der Gültigkeit der Aufenthaltserlaubnis der Aufenthalt des Ausländers in Deutschland „rechtmäßig“. Erst mit diesem Datum beginnen dann die Fristen für die Erteilung einer Niederlassungserlaubnis oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG zu laufen. Gleiches gilt für die First für eine mögliche Einbürgerung. Mit anderen Worten: Benötigt die Ausländerbehörde Berlin ab Antragstellung zum Beispiel vier Monate bis zur Erteilung der Aufenthaltserlaubnis, kann dem Ausländer in drei oder fünf Jahren auch erst vier Monate später eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG erteilt werden (und dies nur im besten Fall: wenn der Betroffene zum Beispiel gerade in diesem Zeitraum seinen Arbeitsplatz verliert, bekommt er seinen unbefristeten Aufenthaltstitel gar nicht oder erst viele Monate oder Jahre später!). Entsprechendes gilt für eine Einbürgerung. Das Datum des Gültigkeitsbeginns der Aufenthaltserlaubnis kann auch Auswirkungen auf einen möglichen besonderen Ausweisungsschutz in der Zukunft haben, weil § 56 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 des Aufenthaltsgesetzes einen fünfjährigen „rechtmäßigen“ Aufenthalt fordern. Schließlich kann der Beginn der Gültigkeit der Aufenthaltserlaubnis sogar Auswirkungen auf die Staatsangehörigkeit eines in der Zukunft geborenen Kindes des Ausländers haben, da § 4 Absatz 3 des Staatsangehörigkeitsgesetzes einen achtjährigen „rechtmäßigen“ Aufenthalt eines Elternteils zum Zeitpunkt der Geburt seines Kindes verlangt.

Es liegt auf der Hand, dass die Ausländerbehörde Berlin deshalb in solchen Fälle nicht beliebig bestimmen darf, ab wann eine Aufenthaltserlaubnis gültig ist. Eine Aufenthaltserlaubnis muss deshalb immer dann rückwirkend erteilt werden, wenn der Zeitpunkt des Beginns der Gültigkeit der Aufenthaltserlaubnis möglicherweise in der Zukunft Auswirkungen auf eine Rechtsposition des Ausländers haben kann. Dies hat das Verwaltungsgericht Berlin nun mit seinem Urteil bestätigt. Zu Recht verweist das Verwaltungsgericht Berlin dabei auf die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, wann ein Anspruch auf rückwirkende Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis besteht. Gleichzeitig hat das Verwaltungsgericht Berlin die Rechtsauffassung von Rechtsanwalt Cziersky-Reis bestätigt, wonach eine Vaterschaftsanerkennung bereits mit der Beurkundung der entsprechenden Erklärungen der (werdenden) Eltern wirksam ist, nicht erst mit der Eintragung des Vaters in die Geburtsurkunde seines Kindes.

Nachtrag 1: Die Ausländerbehörde Berlin hat das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin nicht akzeptiert und deshalb mit Schreiben vom 2. März 2013 beim Verwaltungsgericht Berlin die Zulassung der Berufung beantragt.

Nachtrag 2: Mit Schreiben vom 5. September 2013 hat die Ausländerbehörde Berlin den Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg zurückgenommen. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin ist damit rechtskräftig. Die Kosten des Rechtsstreits muss das Land Berlin tragen (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. September 2013, OVG 12 N 21.13).