030 / 397 492 57 kontakt@kanzlei-cziersky.de

Visum zum Besuch des Ehegatten und zur Teilnahme an Alphabetisierungskurs

Deutsche Botschaft erteilt Visum zum Besuch des Ehegatten und zur Teilnahme an Alphabetisierungskurs: Ist die Versagung der Erteilung eines nationalen Visums zum Ehegattennachzug allein wegen fehlender Deutschkenntnisse des nachzugswilligen Ehegatten verhältnismäßig, wenn dieser Analphabet ist und die Ehegatten zudem zwei gemeinsame minderjährige Kinder haben?

In einem von Rechtsanwalt Cziersky-Reis vertretenen Fall hat die Deutsche Botschaft in Priština einer Mandantin aus dem Kosovo ein Schengen-Visum mit einer Nutzungsdauer von 90 Tagen erteilt, damit diese ihren in Deutschland lebenden Ehemann besuchen sowie hier an einem Alphabetisierungskurs einer Volkshochschule teilnehmen kann. Dies ist deshalb einer Erwähnung wert, weil die Mandantin zuvor bereits ein nationales Visum zum Nachzug zu ihrem Ehemann beantragt hatte. Diesen Antrag hatte die Deutsche Botschaft abgelehnt, weil die Mandantin nicht über die seit dem 28.08.2007 notwendigen einfachen Kenntnisse der deutschen Sprache (§ 30 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 des Aufenthaltsgesetzes) verfügte.

Gegen die ablehnende Entscheidung der Botschaft erhob Rechtsanwalt Cziersky-Reis Klage zum Verwaltungsgericht Berlin. Zum einen vertritt er die Auffassung, dass das Erfordernis des Erwerbs von Deutschkenntnissen vor Erteilung eines Visums zum Ehegattennachzug zumindest dann gegen Artikel 6 des Grundgesetzes verstößt, wenn der nachzugswillige Ehegatte – wie in diesem Fall – Analphabet ist und deshalb mit sehr großer Wahrscheinlichkeit in den nächsten Jahren nicht in der Lage sein wird, die vom Gesetz geforderten Deutschkenntnisse zu erwerben. Ein Gesetz, das für solche Fälle keine spezielle Ausnahmeregelung enthält, dürfte einen unverhältnismäßigen Eingriff in den Schutzbereich von Artikel 6 des Grundgesetzes darstellen und deshalb verfassungswidrig sein. Als weitere Besonderheit dieses Falles kommt hinzu, dass die Ehegatten zwei gemeinsame minderjährige Kinder haben, die ebenfalls mit nach Deutschland kommen sollen, dies aber nicht dürfen, nur weil sich ihre Mutter auf absehbare Zeit nicht die gesetzlich erforderlichen Deutschkenntnisse wird aneignen können. Auch dem Auswärtigen Amt scheint eine dauerhafte Versagung der Visumerteilung in diesem Fall nicht verhältnismäßig zu sein. Es stimmte deshalb dem Vorschlag von Rechtsanwalt Cziersky-Reis, der Mandantin während des laufenden Klageverfahrens ein Schengen-Visum zum Besuch ihres Ehemannes und zur Teilnahme an einem Alphabetisierungskurs zu erteilen, zu. Dem Auswärtigen Amt dürfte aber auch bewusst sein, dass die Mandantin in nur 90 Tagen niemals das eigentlich notwendige A1-Sprachniveau wird erreichen können. Man darf deshalb gespannt sein, ob die Botschaft dennoch nach Rückkehr der Mandantin das Visum zum Ehegattennachzug erteilen wird.