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Landratsamt Donau-Ries muss nach Untätigkeitsklage im Visumverfahren als Beigeladener die Kosten des Klageverfahrens tragen

Entscheidung: VG Berlin, Beschluss vom 14.12.2010 – VG 27 K 344.10 V

Der aus Marokko stammende Mandant von Rechtsanwalt Cziersky-Reis beantragte am 14.06.2010 bei der deutschen Botschaft in Rabat/Marokko die Erteilung eines nationalen Visums zum Ehegattennachzug (Nachzug zu seiner in Deutschland lebenden deutschen Ehefrau). Über diesen Antrag muss die Botschaft gemäß § 75 der Verwaltungsgerichtsordnung grundsätzlich innerhalb von drei Monaten entscheiden. Nachdem sie dies nicht tat, erhob Rechtsanwalt Cziersky-Reis Untätigkeitsklage zum Verwaltungsgericht Berlin.

Schuld an der verzögerten Bearbeitung des Visumantrages war allerdings nicht die Botschaft, sondern die Ausländerbehörde des Landratsamts Donau-Ries. Diese musste der Erteilung des Visums gemäß § 31 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 der Aufenthaltsverordnung zustimmen. Ohne diese Zustimmung durfte die Botschaft das Visum nicht erteilen. Mit Schreiben vom 29.06.2010 teilte die Ausländerbehörde Rechtsanwalt Cziersky-Reis schriftlich mit (wörtlich): „Angesichts der Ihnen bekannten Vorgeschichte – sowohl des Antragstellers als auch seiner Ehefrau – werden wir umfangreich ermitteln, d. h. wir bitten um Verständnis, dass sich die Ermittlungen (u. a. Sozialdienst) einige Zeit hinziehen werden.“

Dieses Verständnis fehlte. Vor der Einleitung des Visumverfahrens waren nämlich die Wirkungen einer Ausweisung und Abschiebung des Mandanten von der dafür zuständigen Ausländerbehörde in München auf ein Jahr nach der Ausreise des Mandanten befristet worden. In diesem Verfahren wurde bereits umfassend geprüft, dass der Mandant keine Scheinehe geschlossen hatte. Darauf wurde die Ausländerbehörde des Landratsamts Donau-Ries schriftlich hingewiesen. Zudem wollte Rechtsanwalt Cziersky-Reis wissen, was denn der „Sozialdienst“ sei. Die Ausländerbehörde antwortete mit Schreiben vom 22.07.2010 und schrieb unter anderem (wörtlich): „Bevor wir eine Entscheidung im Visaverfahren treffen werden, bitten wir unseren Sozialdienst um ausführlichste Ermittlungen. Der Sozialdienst besteht aus mehreren Diplomsozialpädagogen, die vor Ort ermitteln, d. h. z. B. Hausbesuche und Befragungen ggf. auch der Nachbarn durchführen. Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, dass die Behörde den Sachverhalt intensiv aufklärt, ist erforderlich, da es gerade entscheidend darauf ankommt, ob der Antragsteller die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erfüllt und ob demzufolge ein Rechtsanspruch auf das begehrte Visum und daran anschließend die Aufenthaltserlaubnis besteht. In diesem Zusammenhang sind Befragungen durchaus üblich und rechtlich nicht zu beanstanden. Es handelt sich dabei nicht um eine Einvernahme von „Zeugen“ sondern die Behörde holt Auskünfte i. S. v. Art. 26 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayVwVfG ein. Leider ist der Sozialdienst arbeitsmäßig überlastet, die Wartezeiten erstrecken sich daher über mehrere Wochen/Monate. Wir bitten hierfür um Verständnis.“

Das Verständnis fehlte weiterhin. Da die Ausländerbehörde nicht mehr mit Rechtsanwalt Cziersky-Reis kommunizieren wollte („… und bitten daher, von weiteren Anfragen bei unserer Behörde abzusehen.“), versuchte die deutsche Botschaft mehrfach, die Ausländerbehörde zur Vernunft zu bringen. Aber selbst mehrfache Hinweise der Botschaft, es müsse bei einer nicht fristgerechten Entscheidung mit einer Untätigkeitsklage gerechnet werden, wurden von der Ausländerbehörde ignoriert.
Rechtsanwalt Cziersky-Reis erhob deshalb mit Schriftsatz vom 06.10.2010 Untätigkeitsklage zum Verwaltungsgericht Berlin. Am 05.11.2010 erteilte die Ausländerbehörde ihre Zustimmung zur Erteilung des Visums. Die deutsche Botschaft in Rabat erteilte daraufhin das Visum unverzüglich. Der Rechtsstreit wurde von allen Beteiligten (Kläger, Auswärtiges Amt, Ausländerbehörde) für erledigt erklärt. Das Verwaltungsgericht Berlin musste nun nur noch entscheiden, wer die Kosten des Klageverfahrens zu tragen hat. Wie von Rechtsanwalt Cziersky-Reis angeregt, legte das Verwaltungsgericht Berlin die Verfahrenskosten dem Landratsamt Donau-Reis auf, weil die Kosten des Klageverfahrens auch nach Ansicht des Verwaltungsgerichts durch das Verschulden der Ausländerbehörde entstanden waren.

Nachtrag (01.12.2011): Das Verhalten der Ausländerbehörde Donau-Ries hat den Steuerzahler insgesamt 1.741,62 € (Anwaltskosten und Gerichtskosten) nebst Zinsen gekostet.