030 / 397 492 57 kontakt@kanzlei-cziersky.de

Strafverfahren gegen brasilianische Mandantin eingestellt

Die Fristberechnung bei § 95 AuslG bereitet in der Praxis Probleme, bietet aber auch Ansatzpunkte für die Verteidigung gegen ausländerstrafrechtliche Vorwürfe.

Die Amtsanwaltschaft Frankfurt am Main hat ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren gegen eine brasilianische Mandantin von Rechtsanwalt Cziersky-Reis gemäß § 170 Absatz 2 der Strafprozessordnung eingestellt. Der Mandantin wurde von der Bundespolizeidirektion am Flughafen Frankfurt am Main ein Verstoß gegen § 95 Absatz 1 Ziffer 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) vorgeworfen. Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer sich ohne erforderlichen Aufenthaltstitel nach § 4 Absatz 1 Satz 1 AufenthG im Bundesgebiet aufhält, vollziehbar ausreisepflichtig ist und dessen Abschiebung nicht ausgesetzt ist.

Gemäß Art. 20 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) dürfen sich brasilianische Staatsangehörige im Schengen-Raum bis zu drei Monate innerhalb einer Frist von sechs Monaten von dem Datum der ersten Einreise an aufhalten. Die Mandantin reiste am 13.09.2009 nach Deutschland ein und wollte am 13.12.2009 ausreisen. Nach Auffassung der Bundespolizei hätte die Ausreise aber schon am 11.12.2009 erfolgen müssen, weil „drei Monate“ im Sinne von Art. 20 Absatz 1 SDÜ einem Zeitraum von „90 Tagen“ entsprechen würden und zudem der Einreisetag mitgezählt werden müsse.

Die Amtsanwaltschaft folgte der Argumentation von Rechtsanwalt Cziersky-Reis: Die Dreimonatsfrist des Artikel 20 Absatz 1 SDÜ berechnet sich entsprechend §§ 187 Absatz 1 BGB, 188 Absatz 2 Alternative 1 BGB. Danach zählt der Einreisetag bei der Berechnung der Frist nicht mit und bei einer Einreise am 13. September muss die Ausreise erst (aber auch spätestens) am 13. Dezember (bis Mitternacht) erfolgen.

Leider ist das Bundesministerium des Innern (BMI) anderer Auffassung und hat die Bundespolizei mit Erlass vom 21.02.2007 angewiesen, die Dreimonatsfrist des Artikel 20 Absatz 1 SDÜ als 90-Tages-Frist zu berechnen und dabei den Tag der Einreise mitzuzählen (Aktenzeichen des Erlasses: B II 2 – 645 347/0). Solange dieser Erlass nicht aufgehoben wird, ist allen „Positivstaatlern“ (Anhang I zur Verordnung (EG) Nr. 539/2001) zur Vermeidung der Einleitung von Strafverfahren dringend zu raten, sich an die (unzutreffende) Berechnungsweise des BMI zu halten.